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Prof. Dr. Schulte-Körne ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am LMU Klinikum.

Herr Prof. Dr. Schulte-Körne, wie gefährlich ist eine Essstörung allgemein und speziell für Kinder und Jugendliche?

Die Anorexia nervosa ist eine sehr ernst zunehmende Erkrankung, die aufgrund des massiven, anhaltenden Untergewichts zu gefährlichen Veränderungen im Körper führen kann. Das Risiko, an den Folgen einer Anorexia nervosa zu sterben ist im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter hoch.

Welche Rollen spielen die Eltern und das soziale Umfeld aus Ihrer Sicht?

Das soziale Umfeld und die Familie sind von großer Bedeutung, vor allem für die Unterstützung bei der Therapie. Das soziale Umfeld kann sehr unterstützend sein, insbesondere in der Verstärkung, sich Hilfe zu suchen und sich behandeln zu lassen. Andererseits kann aber auch die Reaktion des sozialen Umfeldes auf das Abnehmen der Jugendlichen verstärkend wirken, sodass der Wunsch entsteht, immer weiter abzunehmen bis die Jugendliche darüber die Kontrolle verliert.

Wie sollten sich Eltern idealerweise verhalten?

Eltern sollten die Jugendlichen ansprechen, wenn sie bemerken, dass sich das Verhalten ihres Kindes verändert. Meist fällt zunächst das Essverhalten auf, die Jugendlichen zögern das Essen hinaus, möchten lieber alleine essen oder essen deutlich weniger, sind wählerisch. Außerdem sollten sich Eltern frühzeitig Hilfe suchen, wenn Sie bemerken, dass sich die Stimmung des Kindes anhaltend verändert, sich zurückzieht, viel in sozialen Medien unterwegs ist und die körperlichen Aktivitäten deutlich zugenommen haben. Vorsichtig sollten Eltern mit dem Durchführen von Diäten sein, da nicht selten diese ein Auslöser von einer Essstörung sind.

Was ist FBT?

Familienbasierte Therapie bei Anorexia nervosa ist ein Therapiekonzept, das die Eltern intensiv in die Gewichtssteigerung der Kinder und Jugendlichen einbindet. Dem wird die Annahme zu Grunde gelegt, dass die Eltern ihr Kind bislang ernähren konnten und dies trotz der Erkrankung auch weiterhin können. Sie werden deshalb in der ersten Behandlungsphase, im Sinne einer co-therapeutischen Rolle, angeleitet, temporär die Portionierung und Begleitung der Mahlzeiten für das Kind zu übernehmen. Dabei wird großer Wert daraufgelegt, dass die Familie ihre gewohnten Ernährungsstrukturen und Routinen weiterhin umsetzen kann. Sie werden darin bestärkt ihrem Wissen, was ihr Kind benötigt, wieder zu vertrauen. In weiteren Behandlungsphasen übernimmt das Kind / der Jugendliche die Verantwortung für die eigene Ernährung zunehmend selbstständig.

Unsere Arbeit unterstützen

Wie sieht die Behandlung einer Familie innerhalb der Studie kurz skizziert aus und wie unterscheidet sie sich von der „normalen“ stationären Therapie?

Die Patienten werden im Rahmen der FBT Studie in ihrem gewohnten Umfeld wohnhaft bleiben. Die vorgesehenen Mahlzeiten werden durch primäre Bezugspersonen begleitet, die diesbezüglich entsprechend informiert und angeleitet werden. Medizinische Untersuchungen sowie Gewichtskontrollen finden äquivalent zur stationären Behandlung auch im Rahmen der FBT regelmäßig statt. Wöchentliche Familiensitzungen zur Vermittlung der therapeutischen Inhalte, Begleitung der Familie im Verlauf und Besprechung der aufgetretenen oder erwarteten Herausforderungen runden das Angebot ab. In gemeinsamen Familienessen in therapeutischer Begleitung lernen die Familien herausfordernde Situationen im Rahmen der Nahrungsaufnahme zu bewältigen.

Was erwarten Sie von der Studie, wie ist Ihr Ausblick auf die Ergebnisse?

Es ist davon auszugehen, dass die bereits vorliegenden Ergebnisse aus dem angelsächsischen Sprachraum in Deutschland repliziert werden können, wir gehen also von hohen Erfolgsquoten und anhaltender Gesundung auch nach Abschluss der Behandlung aus.

Herr Prof. Dr. Schulte-Körne, vielen Dank für das Gespräch.